logo standard

 

- Kapillardruck in Wundauflagen -

Eine Untersuchung im Auftrag von Protex Healthcare Ltd.

Dieser Beitrag befasst sich mit der autogenen Kapillarwirkung von Wundauflagematerialien und stellt die Umwertung der berechneten Saugspannung in vergleichbare Druckeinheiten dar. Dazu wird die unter dem Begriff „Washburn-Methode“ bekannte Technik mit der IMETER Methode M7 angewendet.
Von M. Breitwieser, IMETER MessSysteme und D. Viaene, Protex Healthcare Ltd., 5/2021.

Über Wundauflagen

Moderne Produkte in der Wundbehandlung zeichnen sich durch ihr Absorptionsvermögen und der Schaffung eines feuchten Wundmilieus aus. Eine Hauptaufgabe dieser Wundauflagen besteht in der Entfernung von Wundflüssigkeit (Exsudat), Blut, Sekreten von einer Verletzung (Ulcus, Ödeme, Dekubitus, diabetischer Fuß, Brandwunden etc.), um eine möglichst schnelle Heilung zu ermöglichen. Ziel dabei ist es, die Wunde feucht, aber nicht nass zu halten.

Die zur Verfügung stehenden Wund-Behandlungsarten lassen sich kurz wie folgt klassifizieren [1,2]:

      • Hydrophile Schaumstoffe absorbieren Exsudat an inneren Oberflächen des Schaums (eine reguläre Kapillarwirkung tritt hierbei kaum auf).
      • Superabsorber saugen als quasi polymeres Salz wässrige Lösungen an und quellen unter Bildung eines Hydrogels auf.
      • NPWT Pumpen erzeugen durch manuelle oder elektrische Komponenten einen Unterdruck. Die behandelte Körperoberfläche ist hierfür atmosphärisch zu isolieren bzw. luftdicht abzudichten.
      • Kompressen, Vliesstoffe und spezifisch entwickelte Wundauflagen wie VACUTEX nutzen den Kapillareffekt.
Der Abtransport des Exsudats funktioniert bei Kompressen, Schaumstoffen oder Produkten mit Superabsorbern materialbedingt unmittelbar physikalisch und bei der Negative Pressure Wound Therapy (NPWT)[5] durch mechanische, meist elektrische Pumpen.
Die Aufnahme und der Transport der Flüssigkeit sind die wesentlichen Funktionen dieser Wundauflagen. Die Wundheilung wird durch die Entfernung des Exsudats begünstigt, indem Bakterienwachstum und Biofilmbildung verhindert und auch wundheilungsstörende Elemente wie MMPS (Matrix-Metallproteasen) von der Verletzung abtransportiert werden. Die NWPT-Methode zieht durch externen Unterdruck Gewebsflüssigkeit an und saugt überstehendes Sekret ab. Der Behandlungsort verbleibt von Sekret benetzt, ein Luftaustausch findet nicht statt. Im Bereich der NPWT wird hervorgehoben worden, dass bestimmte negative Drucke sich günstig auf die Wundheilung auswirken können; der medizinische Nutzen gegenüber der konventionellen Wundtherapie wird in der Literatur teilweise kontrovers betrachtet[6].

Das ProbenmaterialVACUTEX ProdPic VACUTEX     (Bild: © Protex Healthcare Ltd.)

  1. VACUTEX® 2015 (Konfektionierter Vliesstoff, 10x10 cm. Materialstärke 3,0 mm, REF: VAC010010, LOT: 159847, Protex Healthcare)
  2. VACUTEX® 2020 (Unkonfektioniert, in Form von 30x22 cm Platten, Materialstärke 3,0 mm, Protex Healthcare)
Technisch handelt es sich bei VACUTEX um textile Flächengebilde aus einem modernen Vliesstoff Laminat auf synthetisch/natürlicher Faserbasis. VACUTEX ist dreilagig aufgebaut und enthält in der Mittellage ein Baumwollgewebe (Gabadine). Vgl. Produkt/ Anwendungsinformationen zu VACUTEX.
Solution A ist eine physiologische Kalzium- und Natriumchlorid Salzlösung gemäß DIN EN 13726-1; Hexan: Sigma-Aldrich, Reagent Plus ≥99%; Wasser: destilliert, luftgesättigt, Leitfähigkeit ≤ 1 µS/cm.

 

Bestimmung des Kapillardruckes durch Sorptionsmessungen

Bei Sorptionsmessungen entsprechend der Washburn-Methode [3,4] wird unmittelbar das Aufsaugen bestimmter Flüssigkeiten durch ein Probenmaterial untersucht. Die Analysenmethode adressiert also unmittelbar den Anwendungszweck des Wundauflagematerials.
Prinzip: Ein poröses Material berührt die Oberfläche einer Flüssigkeit - Ob dabei Flüssigkeit in die Hohlräume des Materials eindringt und mithin ein Aufsaugen zu Stande kommt, hängt davon ab, ob eine Benetzung des festen Stoffes durch die Messflüssigkeit zu Stand kommt. 

Porös ist allgemein zu verstehen. Es bedeutet, dass ein Material Löcher, Spalten oder Hohlräume mit Kontakt zur Oberfläche aufweist. Die untersuchten Stoffe werden hier also als poröses Material behandelt. Benetzen bedeutet, dass ein Flüssigkeitstropfen auf einer festen Oberfläche auseinander fließt - so z.B. ein Wassertropfen auf einem Stein. Je flacher sich ein Tropfen auf eine glatte Oberfläche legt, desto besser benetzt er, d.h. desto kleiner ist der Kontaktwinkel. Der Kontaktwinkel beträgt 0°, wenn die Flüssigkeit völlig zerfließt (spreitet). Liegt ein Tropfen etwa in Form einer Halbkugel vor, beträgt der Winkel um die 90°. Bei porösen Materialien entziehen sich der Kontaktwinkel der Beobachtung; benetzen ist hier gleichbedeutend mit aufgesogen werden, die Qualität der Benetzung hat dann eher etwas mit der relativen Geschwindigkeit des Aufsaugens (Infiltration) zu tun.
Warum passiert das überhaupt und was hat es mit dem Kapillardruck zu tun?  ---  Ein Stein fällt herunter und nicht hinauf - freiwillig passiert nur, was Energie freisetzt. Eine Flüssigkeit, die sich auf einem Festkörper verteilt, tut dies, weil dadurch Energie frei wird; diese Energie kann manchmal sogar mit einem Thermometer als Benetzungswärme gemessen werden. Wegen der Oberflächenspannung minimiert eine Flüssigkeitsmenge seine Oberfläche. Ein kleiner Tropfen nimmt, wenn keine andere Kraft einwirkt, die Gestalt einer Kugel an. Wenn der Tropfen verformt wird, ist dafür eine Kraft erforderlich. Eine Kraft, die auf eine Fläche wirkt nennt man Druck. Wenn wir nun eine Flüssigkeitsoberfläche betrachten, etwa Café in einer Porzellantasse, dann stellt sich diese wegen der Schwerkraft platt und plan dar. Am Rand der Tasse aber hebt sich der Saumrand ein wenig aus der Ebene. Der Café wird am Tassenrand entgegen der Schwerkraft etwas nach oben gezogen. Also wirkt auf die Oberfläche offenbar ein Druck. Denn, wäre kein Druck vorhanden, würde der Café rechtwinklig am Tassenrand anliegen. Die Kraft zur Verformung der Flüssigkeitsoberfläche kommt von der Benetzung (Adhäsion) und die dadurch verformte Oberfläche bedeutet schlicht, dass ein Druck wirkt. Wenn der Zahlenwert der Oberflächenspannung bekannt ist, kann der Krümmung der Oberfläche ein bestimmter Druck zugeordnet werden. Oberflächenspannung und -krümmung rufen durch die Benetzung einen Druck hervor, der die Flüssigkeit in einem senkrecht stehenden Kapillarröhrchen soweit aufsteigen lässt, bis die Kraft an der Benetzungslinie dem hydrostatischen Druck entspricht. 
 
Skizze Washburn PrinzipDie Symbole in der Washburn-Gleichung

Je besser der Feststoff benetzbar ist - d.h. je kleiner der Kontaktwinkel Θ ist - desto stärker ist der Druck der Flüssigkeit in die Hohlräume. Dieser Druck steigt mit der Oberflächenspannung der Flüssigkeit (γ), der Benetzungsgüte (Θ) und der Kleinheit der Poren (c). Die Viskosität (η) des Fluids zusammen mit der Enge der Poren sowie die mit der Zeit zunehmende Weglänge durch das Feststoffgefüge bremsen den Infiltrationsvorgang mehr und mehr ab. Schließlich hemmt und begrenzt die Schwerkraft den Flüssigkeitsaufstieg. Die Infiltration kommt zum Stillstand, sobald der hydrostatische Druck der Flüssigkeitssäule dem Kapillardruck entspricht.

Berechnungsverfahren: Die poröse Absorption wird durch die sogenannte Lucas-Washburn-Gleichung physikalisch formal handhabbar. Sie liefert eine Beschreibung der Beobachtung gemäß der Gleichung  h = √(t·r̅c·γ·cosΘ/2η).

D.h. die Steighöhe h nach einer Zeit t ist dabei proportional zur Wurzel der Dauer (√t), dem effektivem Kapillarradius c und der Oberflächenspannung γ der Flüssigkeit. 'cosΘ' ist der Kosinus des Kontaktwinkels der Flüssigkeit auf dem Feststoff. Wenn dieser Winkel gleich Null ist (Θ=0°), d.h. die Benetzung ist total, wird cosΘ = 1 also maximal.

Mit einer Flüssigkeit, die das feste Material vollständig benetzt, kann der effektive Kapillarradius c berechnet werden. Die Messung kann dann mit einer in Frage stehenden Flüssigkeit wiederholt werden, um mittels c (bzw. einer Materialkonstante K) den hier wirksamen Kontaktwinkel Θ zu bestimmen. Weiterhin kann aus mindestens zwei Θ-Werten mit geeigneten Flüssigkeiten die Oberflächenenergie des porösen Materials berechnet werden, auf die das Benetzungs- und Adsorptionsverhalten allgemein zurückgeführt werden kann.

Über die ermittelten Größen Kapillarradius c und Kontaktwinkel Θ und mit der Oberflächenspannung der Flüssigkeit γ erfolgt die Berechnung des Kapillardruckes Δp gemäß der Young-Laplace-GleichungΔp = 2 γ cos Θ /  cSetup M7 SorptionsmessungSetup einer Sorptionsmessung mit IMETER M7  (Click for description).

 

Der Druck ist eine berechnete Größe, die mit dem berechneten Kontaktwinkel und dem ebenfalls berechneten effektiven Kapillarradius r̅c bestimmt wird. Dabei ist r̅c ein Effektivwert, der nur dann mit dem tatsächlichen, geometrischen Kapillarradius identisch wäre, wenn eine Messung auf ein Bündel idealer Kreislochkapillaren angewendet würde. In einem textilen Fasergebilde gibt es natürlich keine solchen runden, geraden Röhren, sondern alle möglichen Hohlraumformen. Die Berechnung des Druckes nach der angegebenen Gleichung impliziert kreisrunde, gerade Kapillaren.

Messverfahren: Das plattenförmige bzw. kubische Probenstück wird in temperierter Umgebung über der Flüssigkeitsoberfläche an einer Wägeeinrichtung aufgehängt (vgl. Bild rechts). Nach einer Temperier/Konditionierphase in der Atmosphäre der Messzelle wird die Flüssigkeitsoberfläche nach oben bewegt. Die Bewegung stoppt bei Oberflächenkontakt und die Flüssigkeit kann in der Probe aufsteigen. Anhand der Gewichtszunahme wird sodann die Infiltration verfolgt.
Aus Flüssigkeitseigenschaften, Bedingungen der Probenpräparation, Gewichts- und Infiltrationsmessung liefert das M7 PUK-Verfahren mehrere Charakteristika des Probenmaterials anhand gesetzmäßig miteinander in Verbindung stehender Kenngrößen. So wird mit der Probengeometrie die Bulk-Dichte angegeben. Das in Relation zum Probenvolumen aufgenommene Flüssigkeitsvolumen erlaubt differenzierte Porositätsangaben und aus der auf die Kontaktfläche bezogenen Aufnahmegeschwindigkeit ergibt sich die Sorptivität S.


Experimentelle Ausführung


Praktische Durchführung: Für die Untersuchung wurden aus den Probenmaterialien Teststücke im Format 36 x 15,5 mm ausgeschnitten. In einer auf 25,0°C temperierten Umgebung wurde der zeitliche Verlauf der Flüssigkeitsinfiltration nach Kontakt von Probe und Fluid entsprechend gravimetrisch bestimmt. Für die Bestimmung des Kontaktwinkels und mithin des effektiven Kapillarradius' c wurden Messungen mit Hexan an den Probenmaterialien ausgeführt, um mit cosΘ=1 die Materialkonstante (mithin  c) zu bestimmen. Einzelheiten des Algorithmus' finden Sie bitte hier unter modifizierte Washburngleichung.Diagramm1Diagramm 1: Geschwindigkeit der Sorption am zeitlichen Verlauf des Probengewichts. Zusammendarstellung zweier Messunge

Aus der Herleitung des formelmäßigen Zusammenhangs ist für die Wirklichkeit zu beachten, dass c, tituliert als effektiver Kapillarradius, nicht etwa einen mittleren Radius darstellt, sondern denjenigen Radius angibt, den gerade Röhren haben müssen, um das beobachtete Verhalten aufzuweisen. Weiterhin zu berücksichtigen ist, dass die Annahme totaler Benetzbarkeit durch Hexan axiomatisch angenommen wird, jedoch nicht verifizierbar ist.

Die Oberflächenflächenspannung des Fluids wurde vor und nach der Sorptionsmessung direkt in der selben Messzelle bestimmt (IMETER M1). Um vollständigere Aussagen über die Porosität des Probenmaterials zu gewinnen, wurde darüber hinaus auch die absolute Dichte der Produkte durch hydrostatische Wägung ermittelt (IMETER M9, Dichte bei 25°C: ρ2015=1.388, ρ2020=1,390 g/cm³; Porosität Φ2015=84.2%, Φ2020=83.4%).

Bezüglich der Messungen der Oberflächenspannung von Solution A und Wasser - jeweils vor und nach der Infiltration - zeigte sich, dass sowohl VACUTEX 2015 als auch VACUTEX 2020 offenbar Spurenmengen oberflächenaktiver Substanz an die wässrige Flüssigkeit abgeben. Die Berechnung des Kapillardruckes wurde mit der dadurch reduzierten Oberflächenspannung durchgeführt. Ohne diese Reduktion der Oberflächenspannung würden sich für den Kapillardruck merklich höhere Werte ergeben. Tabelle 1 (ganz unten) listet die Messergebnisse aus der Sorptionsmessung auf. Diesbezügliche IMETER-Prüfberichte werden im Supplement zur Verfügung gestellt. Diagramm SimuPlot

 

Diagramm 1 zeigt zwei typische "Infiltrationskurven" von VACUTEX 2015 und VACUTEX 2020 in einem Chart. Die Kurven stellen den zeitlichen Verlauf des Probengewichts dar. Zum Zeitpunkt "0" im Diagramm findet der Kontakt von Flüssigkeitsoberfläche und Probe statt. Indem die Flüssigkeit (Solution A) in der Probe aufgesogen wird und aufsteigt, wird das Probenstück schwerer und die KurveDiagramm3 Sorpt Diagramm 2: Sorptivität steigt entsprechend an. Beide Kurven steigen zunächst sehr steil an. Nach einigen Sekunden kann eine Separierung der Verläufe festgestellt werden. Ab Sekunde 10 bzw. 20 bricht der proportionale Anstieg ab und indiziert so, dass die Flüssigkeitsaufnahme beendet ist. Der Knick der Graphen kennzeichnet also das Erreichen der Fließfront am geometrischen Probenende. Die Flüssigkeit ist in der Probe vollständig aufgestiegen - also bis zur Höhe 35 mm, der Probenlänge. Diagramm 2 stellt die Daten und Auswertung zur Soprtivität dar.
Neben der Geschwindigkeit des Sorptionsvorgangs, der in der Steilheit der Kurvenverläufe zum Ausdruck kommt, zeigt die in Diagramm 1 am Kurvenende erreichte Infiltrationsmenge direkt die Aufnahmemenge der Flüssigkeit an. So nimmt ein Gramm VACUTEX 2020 ca. 3,3 cm³ Solution A auf, VACUTEX 2015 mit 3,2 cm³ spürbar weniger. Aus Probenvolumen, Porosität und Aufnahmemenge kann der Anteil ungefüllt verbliebenen Volumens bestimmt werden. Bei VACUTEX 2020 verbleiben rund 5%, bei VACUTEX 2015 jedoch 16% des freien Volumens ungefüllt.  


Kritische Überprüfung / Plausibilitätstest der Druckberechnung:  Auf Basis der Young-Laplace-Gleichung wird der Kapillardruck idealisiert berechnet.VACUTEX SOL A pTest Die dafür erforderlichen Kapillarradien werden als „effektive Kapillarradien“ aus der Washburn-gleichung übernommen. Damit kann der berechnete Kapillardruck als ein rein theoretisches Konstrukt angegriffen werden. Als Kritik könnte beispielsweise angeführt werden, dass nirgends kreisrunde Kapillaren in dem Vliesmaterial zu finden sind.

Das IMETER-MessSystem verfügt mit dem I-SIF-Sensorinterface über einen Präzisionssensor zur Messung des Luftdrucks. Dieser kann allerdings durch höhere Drucke zerstört werden. Für unsere kritische Überprüfung glaubten wir unseren Berechnungen - also, dass 5-10 kPa Überdruck den Sensor nicht zerstören würde. 
So wurde ein Teststück VACUTEX 2015 mit einem zähflüssigen Epoxyharz ummantelt, wobei eine Seite frei gelassen wurde und auf der gegenüberliegenden Seite ein Rohr für den Anschluss des Drucksensors eingefügt wurde. Nach dem Aushärten des Kunstharzes wurde der Drucksensor über einen Silikonschlauch dicht mit dem Anschlussrohr verbunden. Die Messung und Aufzeichnung des Druckes übernimmt bei einfachen Messungen die I-SIF-Funktion der IMETER Software. Diese wurde gestartet und die von der Ummantelung frei gebliebene Stelle mit einer Wasseroberfläche in Kontakt gebracht.
Das Wasser wird kapillar aufgesogen und verdrängt die im Vlies befindliche Luft. Die verdrängte Luft kann jedoch nicht ausweichen und erhöht so den Druck – den Luftdruck – in dem abgedichteten Raum. So wird der kapillare Sog als Luft-Überdruck messbar, wie in Diagramm 3 gezeigt. 
Für VACUTEX 2015 wurde auf diese Weise ein Überdruck von bis zu 2 kPa gemessen. Das entspricht fast dem halben Wert aus der theoretischen Berechnung (4,8 ISIF p VACUTEX2Diagramm 3: Druckmessung - steiler Druckanstieg beim Flüssigkeitskontakt.kPa). Verschiedene Gründe können angeführt werden, warum der Druck auf diese Weise kleiner gemessen wurde als er eigentlich sein sollte (Der maximale Druck tritt am Anfang der Infiltration auf und das Totvolumen in dem Aufbau ist relativ groß und der hydrostatische Druck des aufgestiegenen Fluids ist dem gemessenen Druck hinzuzufügen ...).

Insgesamt darf festgehalten werden, dass durch die konventionelle Druckmessung die Annahme der prinzipiellen Richtigkeit, der in diesem Beitrag ausgeführten Kapillardruckbestimmung, gestützt wird.

Übrigens, dass ein negativer Druck durch Kapillarwirkung entsteht, wird jedem (Kind) sofort klar, wenn Zunge oder die feuchte Lippe an Tafelkreide, eine Tonscherbe oder ein anderes, benetzbares, feinporiges Material kommen. Die Zunge klebt an - und das ist ein Ansaugen durch Wirkung des hier spürbar negativen Kapillardrucks.


Ergebnis der Kapillardruckbestimmung

Der Druck, mittels welchem ein Verbandsmaterial durch Kapillarwirkung Flüssigkeit aufsaugt, kann durch Sorptionsmessungen bestimmt werden. Zur Bemaßung desselben, d.h. zur Quantifizierung  der kapillaren Saugwirkung, wurde, um Produktvergleiche über die physisch-physikalisch messbare Materialeigenschaften anstellen zu können, die Anwendung der Washburn-Gleichung herangezogen. Sie ermöglicht über die effektiven Kapillarradien die Bestimmung des Drucks gemäß der Young-Laplace Gleichung. Diagramm1Diagramm 4: "Performance"

Als Ergebnis der Untersuchung stellte sich für die beiden VACUTEX Produkte Folgendes heraus:

Gegenüber einer physiologischen Kochsalzlösung (Solution A) werden durch VACUTEX 2020 Drucke im Bereich 4 bis 10 kPa (30 bis 75 mmHg) erzeugt. Dieser Druckbereich entspricht rund 5 bis 10% des atmosphärischen Luftdruckes und befindet sich damit zugleich im Bereich der NPWT (25 bis 125 mmHg).

VACUTEX 2020 erzielt mit 9,1 kPa (68 mmHg) gegenüber einer physiologischen Salzlösung (Solution A) einen nahezu verdoppelten Kapillardruck Δp gegenüber dem früheren Produkt VACUTEX 2015, das 4,8 kPa erzielt (vgl. Diagramm 4). Der Kapillardruck der physiologischen Salzlösung ist gegenüber Wasser erkennbar erhöht. D.h. eine höhere Salzlast beeinträchtigt nicht das Saugvermögen. Ganz im Gegenteil.

Bei etwa vergleichbaren effektiven Kapillarradien c der beiden Vliesstoffe ist die Ursache für die Leistungsunterschiede durch jeweilige Kontaktwinkel begründet. Je kleiner der Kontaktwinkel Θ, umso größer wird der Kapillardruck, respektive die Saugintensität. VACUTEX 2020 erreicht mit 65,1° gegenüber der physiologischen Salzlösung (Solution A) einen günstigeren Wert. VACUTEX 2015 stellt sich mit 74,6° als spürbar weniger gut benetzbar dar. Gegenüber reinem Wasser fallen die relativen Unterschiede sogar noch deutlicher aus. Hier ist der Kontaktwinkel von VACUTEX 2020 sogar um 17,8° verbessert.

 

Schlussfolgerungen und Ausblick  

VACUTEX 2015 und 2020 zeichnen sich durch eine hohe Kapillarwirkung aus, wobei das technisch optimierte VACUTEX 2020 hinsichtlich Saugleistung und Aufnahmekapazität eine deutlich verbesserte Effektivität zeigt. Es stellt sich heraus, dass nicht nur aufwändige Technologien wie NPWT höhere Drücke zu erzeugen vermag, sondern auch passive Systeme dazu in der Lage sind. Insbesondere in weniger privilegierten Regionen der Welt, in denen NPWT nicht allen Menschen zur Verfügung steht, bietet VACUTEX eine gute Alternative.
Mit den beobachteten Steighöhen von mehreren Zentimetern geht einher, dass in der flächenhaften VACUTEX -Anwendung (die gegebenenfalls mehrlagig auf Verletzungen appliziert sein kann) sich die Saugspannung in der exsudatgetränkten Wundauflage dynamisch durch Verdunstung des Wundwassers nachbildet. Da Verletzungen insgesamt viel Exsudat absondern können, die je Zeiteinheit produzierte Flüssigkeitsmenge jedoch oft relativ gering ist, kann kummuliert eine höhere Aufnahmekapazität erreicht werden. Als wahrscheinlich günstigen zusätzlichen Effekt wird so die Wunde zugleich durch die Verdunstung gekühlt (Entzündungen - Bakterienwachstum, Schmerzlinderung). Inwiefern die Kapillarwirkung und die damit verbundenen Transportvorgänge möglicherweise ebenfalls zu einer heilungsfördernden Stimulation des Wundgewebes führen, müssen klinische Untersuchungen klären.
"VACUTEX 2025" - ? - Eine besondere Herausforderung könnte mittels der mit dem IMETER MessSystem instrumentierten und automatisierten Sorptionsmessung antizipiert werden, nämlich die selektive Adsorption wundheilungsstörender Spezies, die aus dem feuchten Wundmilieu auf VACUTEX-Fasern gebunden werden könnten. Die dafür erforderlichen Arbeiten zu Identifikation und Bestimmungen der Oberflächenenergie der betreffenden Eiweißstoffe, Zellbestandteile, Enzyme etc. und der jeweiligen Flüssigkeit dürfte sich jedoch als wenig triviale Aufgabe darstellen[5,6].


Tabelle 1
Daten IDN°: Identifikationsnummer der Messung / Sample: Probenbezeichung / Bulk Density, ρMat.: Materialdichte aus Probengeometrie und -Gewicht bestimmt / Liquid: verwendete Messflüssigkeit / Sorptivity, S: Sorptivität / Capillary radius ceffektiver Kapillarradius / Contact Angle Θ: Kontaktwinkel / Cap. Pressure Δp: Kapillardruck / specific Intake, Vspec. In der Messung aufgenommenes Flüssigkeitsvolumen pro Gramm Probensubstanz / Void, unfilled Fraction, vvoid%:  relativer Anteil an freiem Volumen nach Infiltration.  // Mean x: Mittelwert / σrel. % : relative Standardabweichung.

IDN°

Sample

Bulk- Density
ρMat.

Liquid

Sorptivity

S

Capillary radius

c

Contact Angle

Θ

Cap. Pressure

Δp

specific
Intake 

Vspec.

Void, unfilled Fraction

vvoid%

   

[g/cm³]

 

[mm/√min]

[µm]

[°]

[kPa]

[cm³/g]
[%]

N° 17719

VACUTEX 2015

0,239

Wasser

35,0

6,78

78,8

4,12

 3,11  8,3

N° 17721

VACUTEX 2015

0,235

Wasser

35,3

6,98

80,1

3,48

 3,14  9,0

N° 17723

VACUTEX 2015

0,231

Wasser

38,0

6,41

78,5

4,40

 3,24  8,7

N° 17725

VACUTEX 2015

0,244

Wasser

35,5

6,26

79,0

4,32

 3,12 6,2
 

Mean x
σrel. %

0,237
2.3%

Wasser

36,0
3.8%

6,61
5%

79,1
0.9%

4,08
10.2%

3,15
1.9%
 
8,1
15.7%
 
                   

N° 17727

VACUTEX 2020

0,231

Wasser

60,0

7,16

62,8

9,07

3,33  6,5

N° 17730

VACUTEX 2020

0,222

Wasser

60,0

7,48

60,0

9,28

 3,34  9,7

N° 17732

VACUTEX 2020

0,229

Wasser

59,0

7,16

61,1

9,33

 3,29  8,1

Mean x
σrel. %

0,227
2.1%

Wasser

59,7
1.0%

7,27
2.5%

61,3
2.3%

9,23
1.5%

3,32
0.8%
8,1
20%
                   

N° 17755

VACUTEX 2015

0,211

Solution A

41,0

8,28

76,1

4,19

3,22  16,9

N° 17757

VACUTEX 2015

0,217

Solution A

45,0

7,34

73,1

5,45

 3,21  14,6
 

Mean x
σrel. %

0,214
2.0%

Solution A

43,0
6.6%

7,81
8.5%

74,6
2.8%

4,82
18.5%

 3,22
0.2%
 15,8
10.3%
     ρMat.    S  c  Θ  Δp  Vspec. vvoid% 

N° 17759

VACUTEX 2020

0,232

Solution A

69,9

6,67

65,7

8,92  3,36  5,5

N° 17761

VACUTEX 2020

0,239

Solution A

62,0

6,74

64,5

9,32

 3,27  4,8
 

Mean x
σrel. %

0,236
2.1%

Solution A

66,0
8.5%

6,71
0.7%

65,1
1.3%

9,12
3.1%

 3,32
1.9%
 5,15
9.6%
                   

N° 17774

VACUTEX 2015

0,208

Hexan

71,0

7,83

∴0°

4,57

3,30  16.4

N° 17775

VACUTEX 2015

0,210

Hexan

71,0

8,30

∴0°

4,31

 3,31  15.2
 

Mean x
σrel. %

0,209
0.7%

Hexan

71,0
0%

8,07
4.1%

 

4,44
4.1%

 3,31
0.2%
 15,8
5.4%
                   

N° 17778

VACUTEX 2020

0,226

Hexan

75,0

7,62

∴0°

4,69

 3,18  11,8

N° 17779

VACUTEX 2020

0,230

Hexan

76,0

8,38

∴0°

4,27

 3,20  10,0
 

Mean x
σrel. %

0,228
1.2%

Hexan

75,5
0.9%

8,00
6.7%

 

4,48
6.6%

 3,19
0.4%
 10,9
11.7%

 

Supplement

Beispiele vollständig dokumentierter Prüfberichte (als PDFs), die das IMETER MessSystem für Messungen automatisch generiert:
- Sorptionsmessung VACUTEX2015 (ID17757)
- Sorptionsmessung VACUTEX2020 (ID17761)
- Dichtemessung an VACUTEX2020
- Messung der Oberflächenspannung nach Sorptionsmessung

Literatur

[1] Paul F. Jacques, Chapter 26 - Wound Dressing Techniques, Eds: Richard W. Dehn, David P. Asprey, Essential Clinical Procedures (Second Edition), W.B. Saunders, 2007, S. 381-397, https://doi.org/10.1016/B978-1-4160-3001-0.50030-7.
[2] Kathryn Panasci, Chapter 12 - Burns and Wounds, Eds: Jaime C. Paz, Michele P. West, Acute Care Handbook for Physical Therapists (Fourth Edition), W.B. Saunders, 2014, S. 283-311, https://doi.org/10.1016/B978-1-4557-2896-1.00012-3.
[3] IMETER (2x WebLinks) → (1) Beschreibung der Methode IMETER M7, (2) Herleitung der (modifizierten) Washburngleichung, Anwendung & Beispiele
[4] Erbil, H. Yildirim, Surface Chemistry Of Solid And Liquid Interfaces, Blackwell, Oxford, 2006, S.325.
[5] Wikipedia, Link: Begriff  "Vakuumtherapie".
[8] Van Oss, Carel, J., Interfacial Forces in Aqueous Media, Second Edition, Taylor & Francis CRC, Boca Raton, 2006, S.319ff, 345ff.


Links

Dieser Artikel: https://www.imeter.de/VACUTEX2020de This article in English: https://www.imeter.de/VACUTEX2020eng
Firmen: www.protexhealthcare.com, www.imeter.de